"Was will ich hier in Deutschland?"
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde,
Krist, Peter und ich freuen uns, heute im
Mittelpunkt Eurer Aufmerksamkeit und Eures Gebets stehen zu dürfen. Erfüllt von der Liebe
Christi, sind wir vor den Bischof getreten, um unser Leben in einem Ja für immer für die
Herrlichkeit des Reiches Gottes einzusetzen.
Mit der Priesterweihe haben wir nicht das Ende, sondern den Anfang einer langen Reise mit
Höhen und Tiefen erreicht. Wir wissen nicht, wie unsere Zukunft aussieht, was auf uns
zukommt. Das ist aber gut so, damit wir in Demut lernen können, Gott unser Leben und
unsere Zukunft zu überlassen.
Gott hat in uns, in den zerbrechlichen Topf unseres Menschseins seine Liebe gesteckt. Er
hat uns seine Liebe anvertraut. Und Ihr könnt uns dabei helfen, damit wir diese Liebe nicht in
der Erde der Ängste, der Sorgen und der Enttäuschungen verstecken, sondern sie
"bewirtschaften". Helft uns mit Eurem Gebet, damit wir fähig werden, diese Liebe Christi an
die Menschen weiterzugeben, die sich ständig auf den Weg machen, um die Spuren Gottes
in ihrem Leben, in ihrer Biographie, in ihrer gebrochenen Biographie aufzuspüren.
Liebe Freunde, getragen von der Liebe Gottes sind wir nach Deutschland gekommen. Den
größten Teil unseres Aufenthaltes verbrachten und verbringen wir in dieser größten und
internationalen Kommunität von St. Augustin. Ein Vorteil einer solchen Kommunität ist, dass
wir in der Anfangsphase unseres Lebens in einer fremden Kultur nicht direkt ins kalte
Wasser geworfen wurden und dass wir von unserer Kultur nicht direkt abgeschnitten
wurden. Durch unsere Landsleute und Missionare, die in unserem Land tätig waren, durften
wir ein Stück Heimat erleben.
Das Leben in dieser Kommunität hat uns bereichert. Wir, beziehungsweise ich, erlebten hier
eine intensive Begegnung mit anderen Menschen und ihren Kulturen. Durch den Spiegel
eines Du mit seinen Talenten, seinem Charakter und seiner Biographie lernte ich mich und
meine Berufung besser kennen. Diese Vielfalt und Verschiedenheit führte mich zur
Sensibilität im Umgang mit Menschen samt ihren Träumen, zur Gemeinschaft und
Solidarität mit ihnen. Durch diese Begegnung wurde ich angeregt, mich für einen
Missionseinsatz für unbegrenzte Zeit hier in Deutschland zu entscheiden.
Ich weiß, diese Entscheidung könnte auch schmerzlich sein. Ich musste meine Eltern,
meine Verwandten und meinen vertrauten Kreis, meine Heimat verlassen. Aber ich vergesse
nie, was meine Mutter gesagt hat: "Wenn Du ein wenig Asche aus dem Herd im eigenen
Haus nimmst und sie dann auf den Herd im anderen Haus streust, dann wirst von deiner
Sehnsucht befreit." Was ist damit gemeint? Was meinte meine Mutter mit "Asche aus dem
Herd im eigenen Haus"? Das ist vielleicht die gelebte Liebe, Liebe, die tief in mir sitzt,
Liebe, die für mich Erlebnis geworden ist. Diese Liebe lebt. Sie lebt in mir. Sie hilft mir, mein
Leben zu sehen und mein Leben als Missionar in einer fremden Kultur neu zu gestalten.
Apropos Missionar. Was will ich hier in Deutschland? Wenn ich mich, als ein Asiat und
zugleich Mitglied des Steyler Ordens, verpflichtet fühle, die Aufgabe der Neuevangelisierung
Deutschlands mitzutragen, dann bedeutet das für mich, dass Deutschland wieder zum
Missionsland geworden ist. Was kann ich hier in Deutschland tun? Welche Gründe
unterstützen die gemachte Feststellung, "Deutschland ist ein Missionsland"? Welche
Hindernisse, Probleme und Grenzen bestehen bei meiner Teilnahme an den
missionarischen Tätigkeiten in Deutschland? In welchem Bereich und auf welchem Gebiet
besteht die Möglichkeit für einen Einsatz eines ausländischen Missionars?
Liebe Freunde, gestattet mir, zwei meiner Erfahrungen hier vorzubringen! Die erste
Erfahrung ist die Erfahrung mit der Einsamkeit. Zum ersten Mal wurde ich mit der
Einsamkeit konfrontiert, als ich in meiner Diakonatsgemeinde war. In einer großen
Kommunität wie in St. Augustin war die Einsamkeit für mich kein Thema, weil ich durch die
ständige Begegnung mit anderen Mitbrüdern und durch viele Angebote immer die
Möglichkeit hatte, meiner Einsamkeit zu entkommen. Während des Diakonatspraktikums
wohnte ich in einer winzigen Wohnung bei einer älteren Dame, ohne Zeitung, ohne
Fernsehen und ohne Mitbrüder. Das brachte die Erfahrung der Einsamkeit mit sich. Am
Anfang sah ich sie als etwas Schreckliches an, das ich bewältigen musste. Ich hatte Angst
vor ihr. Ich versuchte deshalb, sie mit vielen Aktivitäten zu verdrängen. Ich meinte, ich könnte
ihr durch Flucht vor mir selber entkommen. Aber dann hatte ich keine Zeit mehr, zur Ruhe zu
kommen, innezuhalten. Dadurch verließ und verletzte ich meine Seele. Ich ließ meine Seele
nicht mehr atmen. Zum Atmen braucht sie einen Raum: Schweigen, Ruhe, Stille. Der Weg,
der mich dorthin führt, ist die Annahme der Einsamkeit.
Im Laufe des Praktikums bin ich immer wieder in die Einsamkeit geraten. Diese ständig
wiederholte Erfahrung ließ mich erkennen, dass sie eine Realität ist, mit der ich leben muss.
Ich versuchte, mich mit ihr auseinanderzusetzen. Dann kam ich mit ihr ins Gespräch. Von
diesem Gespräch lernte ich andere Dimensionen der Einsamkeit kennen. Sie wurde und ist
für mich eine Schule der Gottesbegegnung. Sie ermöglicht mir, zu mir selber
zurückzukehren. Sie tut weh, ist aber notwendig. Wenn es die Einsamkeit nicht gäbe, fehlte
mir ein wichtiger Impuls, Gott als den zu suchen, der meine Sehnsucht stillt. Diese
Einsamkeit kann ich vergleichen mit den Zwischenräumen eines Rades, mit dem Hohlraum
zwischen den Wänden und mit der Höhlung zwischen dem Ton: Zwischenräume eines
Rades machen das Rad; der Hohlraum zwischen den Wänden macht das Haus; die
Höhlung zwischen dem Ton bildet den Krug: Da, wo ich mich in der Einsamkeit befinde, wird
mir Gott sagen: "Mein geliebtes Kind, du bist jetzt an der Quelle, nach der du dich sehnst.
Du bist in meinen Händen. Ich trage dich."
Meine zweite Erfahrung mache ich gerade in der Begegnung mit den Kindern in der
Grundschule in Eberhardzell, wo ich jetzt als Missionar tätig bin. Dort begegne ich Kindern in
der Verschiedenheit ihrer Lebensbiographie und in der Vielfalt ihres Charakters. Nicht selten
befand ich mich in einer ratlosen Situation, weil ich die Kinder nicht bändigen konnte. Auch
wenn ich auf meinen Unterricht schon so gut wie möglich eingestellt war, konnte ich mit
dem Unterricht nicht beginnen. Sie waren einfach zu laut. Manchmal war ich enttäuscht, und
wollte keinen Unterricht mehr geben. Aber einmal kam ich auf dem Weg von der Schule ins
Pfarrhaus auf den Gedanken, so eine Situation im Lichte meines Glaubens zu betrachten.
Die Kinder, die vielleicht zu Hause Probleme haben, deren Eltern wenig Zeit oder sogar
keine Zeit haben, ihnen die religiösen Werte zu vermitteln, wollten mich nicht ärgern und
provozieren, sondern mich einladen, ihnen zuzuhören, was sie nicht sagen können, was sie
mir sagen möchten: "Hab mehr Geduld und mehr Liebe zu uns!" Diese Begegnung ist eine
Chance für mich, das Antlitz Gottes zu spüren, das mir sagt: Ich brauche dich. In der
Begegnung mit meinen Schülern versuche ich deshalb das Antlitz des mitleidenden
Christus, der um Hilfe und Liebe schreit, zu erfahren.
P. Devis Don Wadin, SVD