Jugend in der Postmoderne:
Eine Herausforderung für die Jugendpastoral in Deutschland

Heutzutage scheint "Christsein" nicht mehr selbstverständlich zu sein. Viele Jugendliche bzw. junge Erwachsene erleben eine Vereinzelung als Christ in der Schule, am Arbeitsplatz, in Peergruppen bzw. im Freundeskreis und auch zum Teil in eigenen Familie. Diejenigen, die sich als Christ bekennen, sind angesichts der Herausforderungen in der "Postmoderne" oft kritischen Anfragen ausgesetzt. Sie sehen sich Unverständnis, Relativismus und Gleichgültigkeit gegenüber, es sei denn, der Glaube wird überzeugend gelebt. Für junge Christen in diesem dritten Millennium bzw. in dieser Postmoderne genügt es nicht mehr, sich an allgemeinen Glaubenssätzen und Verhaltensnormen zu orientieren. Sie wollen nicht mehr von den traditionellen Strukturen, Formen und Riten abhängig sein. Außerdem ist ihr gesellschaftliches Leben stark auf Leistung und Aktion hin ausgerichtet. Das Streben nach Erfolg, Perfektion und Absicherung beherrscht viele Bereiche ihres Lebens. Die Jugendlichen wollen das tun, was ihnen etwas bringt oder Spaß macht. Andererseits scheinen viele Jugendliche bzw. junge Erwachsene nicht zufrieden zu sein mit ihrer unmittelbaren Welt, Gesellschaft, der Politik und Institution. Wir sind dazu berufen, die Herausforderungen angesichts der Postmoderne wahrzunehmen und entsprechend eine neue Option bzw. Neuordnung der Jugendpastoral in Deutschland zu suchen. Zwei Fragen bestimmen wechselseitig dieses Thema: Was halten die Jugendlichen von der Kirche? Und was hält die Kirche von den Jugendlichen?

Die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen leben heute in einer Welt des kulturellen und sozialen Wandels. Sie sind von allen Schichten des Lebens stark herausgefordert, von einer Individualisierung, Pluralisierung, Relativierung und Kommerzialisierung, welche die Postmoderne kennzeichnen. Die heutigen Jugendlichen leben in einer Erlebnis-, Multioptions-, Leistungs- und Risikogesellschaft. Eine Vielfalt von Weltanschauungen, Ideologien und Aberglaube blüht auf. Sie erfahren zugleich eine Ambivalenz im Leben: Chancen und Risiken, Freiheit und Unsicherheit. Orientierungslosigkeit (weniger Zukunftsperspektive), Angst und Frustration werden überdeckt durch Flucht in Genusssucht. So begegnen die Jugendlichen sozialen Problemen (z.B. Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, geringere personale und gesellschaftliche Zukunftsorientierung und wenig Mobilitätsbereitschaft u.a.), psychologischen (z.B. Sexualität und Identitätskrise) und religiösen (z.B. wenig Interesse an religiösen Praktiken) Problemen. Daraus folgende Konsequenzen sind die "Fluchttendenz" (das Desinteresse der Jugendlichen an Politik, Kirche, Religion oder anderen traditionellen Praxen und ihre seltene Teilnahme an diesen) und "Suchtendenz" (die Jugendlichen versuchen deshalb ihre eigene Kultur und Religion für sich zu bauen) der heutigen Jugendlichen. Sie wollen sich nicht bei irgend etwas engagieren, wenn es ihnen zunächst nicht Spaß macht. Deswegen zeigen die Jugendlichen bzw. die jungen Erwachsenen eine Art von Desinteresse und Gleichgültigkeit an der Politik und Kirche, weil sie ihnen ziemlich langweilig und uninteressant zu sein scheinen. Es gibt doch auch Jugendliche bzw. junge Erwachsene, für die Religion und "Kirche" in einem radikalen Sinn zur Privatsache geworden ist. Sie brauchen Hilfe. Sie wollen ernst genommen werden mit ihren Lebensformen. Sie wollen eine "Kirche der Jugend". Die Kirche kann dabei nicht gleichgültig sein, auch wenn gerade junge Erwachsene aus ihr "austreten" und oft eine neue Heimat in pluralen Deutungsmustern und Ausdrucksformen von Religiosität suchen. Hier ist die Kirche stark herausgefordert.

Diese Tatsache drängt die Frage nach der Bedeutung kirchlicher Jugendpastoral auf. Was will und kann sie bewirken? Nach dem deutschen Synodenbeschluss will die kirchliche Jugendpastoral die konkreten Lebenssituationen der Jugendlichen ernst nehmen und neue Optionen für die junge Generation suchen. Es geht um einen Dienst der Kirche an der Jugend. Es soll folglich um eine Hilfestellung auf der Suche nach sinnvollem Leben gehen. Das von der Würzburger Synode geforderte "personale Angebot", das Zeugnis von gläubigen Christen, steht im Vordergrund. Die kirchliche Jugendpastoral soll danach streben, bei der Bewältigung von Glaubensnot zu helfen, neue Möglichkeiten der Glaubenserfahrung zu eröffnen, Glaubensinhalte zu vermitteln, zu vertiefen und zu aktualisieren. Damit verbindet sich die Frage nach einer Kirche der Jugend, nach einem Kirchenverständnis, das Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen gerecht zu werden vermag.

Die Kirche darf und will die Jugend nicht verlieren. Die Jugendlichen sind, zum Teil, sehr engagiert in der Kirche. Sollte die Kirche bereit sein, ihre Denkstruktur und ihre Prinzipien über die Jugend zu ändern, gäbe es wahrscheinlich viele freiwillige Jugendliche in der Kirche. So müssen wir neue Prinzipien, neue Optionen für die Jugendpastoral suchen. Die Kirche ist nicht FÜR die Jugend, sondern MIT der Jugend. Sie sollte auf die Jugend vertrauen. Die Jugendlichen sind die Hoffnung und Zukunft der Kirche. Sie sind "Seismograph" der Kirche. Sie sind sozusagen "junge Propheten" der Kirche, die ihr den Weg zeigen. Sie warnen die Kirche vor Gefahren.

In der kirchlichen Jugendpastoral wird versucht und erprobt, die Jugendlichen als Subjekt ernst zu nehmen mit ihren Fähigkeiten, Interessen, Charismen und auch mit ihrer Kritik an der Kirche. Wer mit Jugendlichen in Beziehung (Jugendpastoral ist ja doch eine Beziehungsarbeit!) treten will, muss dialogfähig sein, bereit sein, sie und somit neue Denkweisen und Einstellungen ernst zu nehmen, und offen sein, sich gegenseitig zu respektieren. Die Kirche soll den Jugendlichen eine "Heimat", Räumlichkeiten, die Jugendlichen interessierenden Themenangebote, personale Angebote und finanzielle Unterstützung anbieten. Formen der konkreten Mitbestimmung und Partizipation sollten entwickelt werden. Die Kirche sollte sich als eine befreiende, subjektfördernde und identitätsstiftende Gemeinschaft darstellen. Die Jugendlichen wünschen sich von der Kirche, dass sie mehr Beweglichkeit und weniger Beharren auf festen Formen und Formeln zeigt. Es ist nicht so, dass die Jugendlichen an den religiösen Praktiken nicht interessiert sind, sondern vielmehr finden sie diese nicht zeitgemäß. Viele gehen nicht in die Kirche, da die Gottesdienste und Predigten langweilig sind. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe der kirchlichen Jugendpastoral, neue Wege und Formen zu suchen. Es geht um die Frage, wie man den Gottesdienst kreativ gestaltet. Jugendliche wollen viel Bewegung, viel Musik und Aktion während des Gottesdienstes. Der Gottesdienst soll für sie ein Ausdruck ihrer Gefühle und Erfahrungen sein. Die Jugendlichen ihrerseits sollten bereit sein, mit dem Bewusstsein "Wir sind Kirche" das Leben in den Gemeinden mitzugestalten. Mit diesem Geist der Zusammenarbeit und des Vertrauens können die Kirche und die Jugend miteinander unterwegs sein (denn unsere Kirche ist eine "pilgernde Kirche") auf dem Weg, den Jesus Christus uns gezeigt hat.

Joseph Xavier Alangaram